+ Bluthochdruck
Dass Bluthochdruck den Menschen schädigen und krank zu machen vermag, ist bereits seit vielen Jahren Bestandteil des Wissens der Inneren Medizin. Neu indes ist die Bedeutung, welche der Bluthochdruckerkrankung zu kommt. Noch vor wenigen Jahrzehnten galt die Überzeugung, der normale Blutdruck errechne sich aus 100 plus Lebensalter, in der Ärzteschaft als auch bei den Patienten als Grundsatz, mit dem ich in der Praxis täglich konfrontiert werde. Aufgrund einer Vielzahl von Untersuchungen, Studien und Analysen musste dieses Paradigma aufgegeben und neu bewertet werden. Ein Langzeitblutdruck über 140 gilt als Hypertonie, gleich welchen Lebensalters. Auch die Zielwerte der Blutdruckeinstellung sind vom Lebensalter unabhängig.
Heute ist unstrittig klar: Bluthochdruck ist die häufigste Ursache für Schlaganfälle, Herzinfarkte und Dialysepflichtigkeit. Kein Inneres Organ, das nicht dauerhaft geschädigt wird. Sicher nicht nach wenigen Tagen, vielmehr nach Jahren. Die anglikanische Medizin spricht so auch mit großer Berechtigung vom „silent killer“. Dieser Begriff ist zutreffend, sind doch die Patienten in aller Regel sehr lange vollkommen beschwerdefrei. Erst das Eintreten von Organschäden macht die Blutdruckerkrankung spürbar und führt zur ärztlichen Konsultation.
Es ist tägliche Erfahrung, dass die allermeisten Patienten auch nur sehr leicht erhöhte Cholesterinwerte als lebensgefährdend wahrnehmen, während Sie gleichzeitig auch schwersten Blutdruckentgleisungen keinerlei Bedeutung beimessen, obgleich ungleich höhere Schädigungen zu erwarten sind. Hier muss dringend Aufklärung und Umdenken erfolgen, soll auch im Alter eine hohe Lebensqualität erzielt werden.
Am Anfang sollte wie auch bei anderen Erkrankungen die Ursachensuche stehen, welche jedoch in den allermeisten Fällen nicht von Erfolg gekrönt ist, denn den meisten Blutdruckerkrankungen läßt sich keine isolierten kausale Ursache zuordnen. Sie ist vielmehr als eine multifaktorielle Erkrankung zu verstehen. Die Abklärung erfüllt jedoch eine zweite sehr wesentliche Aufgabe, erfasst sie doch die bereits vorhandenen Schäden an den Organen und trägt sodurch wesentlich zu einer auf den Patienten zugeschnittenen Behandlung bei.
Die Behandlung der Bluthochdruckerkrankung sollte individuell auf jeden Patienten angepasst erfolgen. Eingetretene Organschäden werden genauso wie persönlicher Lebensstil und Unverträglichkeiten zu berücksichtigen sein. Die moderne Medizin bietet eine große Anzahl an unterschiedlichen Wirkstoffen, eingeteilt in etliche Wirkstoffgruppen, welche alle Ihre Vorzüge, Probleme und Besonderheiten haben, welche es zu berücksichtigen gilt. Der rasante medizinische Fortschritt bedingt, dass sich das Wissen über Nutzen und Risiken stetig ändert und zu ständigen Neubewertungen führt. Insbesondere die Behandlung mit mehreren Medikamenten bedarf so der kontinuierlichen Kontrolle und Abwägung.
Die Einstellung der Bluthochdruckerkrankung benötigt Zeit und Zuwendung, auf ärztlicher als auch auf Patientenseite, was sich bedauerlicherweise im rationalisierten Gesundheitswesen unter erhöhtem Kostendruck nur unzureichend darstellen lässt.
Leider führt die Ersteinstellung insbesondere bei länger bestehenden und sehr hohen Ausgangsblutdruckwerten in vielen Fällen zu Beschwerden, wie etwa Abgeschlagenheit, Tagesmüdigkeit, Schwindelgefühl oder gar dem Gefühl gleich benommen zu werden. Dies wird dann von den Patienten als gefährlich empfunden und über die neue Medikamenteneinnahme erklärt, was zum Abbruch der Therapie oder zu Eigenmedikationen mit teils eigenwilligen, schädlichen Dosierungen oder zumindest interessanten Kombinationen führt. Hier hilft es zu verstehen, dass das Gehirn und der Körper des Menschen meist mehrere Wochen benötigt, sich wieder an normale Blutdruckwerte zu gewöhnen. Geduldiges langsames Absenken der Blutdruckwerte reduzieren die Beschwerden meist erheblich.
Ziel für uns alle muss sein, normale Blutdruckwerte möglichst zu erreichen und den Patienten gut und dauerhaft zu überwachen, um Schaden von dem Menschen, sei es durch den Blutdruck oder die möglichen Nebenwirkungen der Medikamente, abzuwenden.
Dies ist eine Aufgabe, die wir gerne annehmen – ohne das Vertrauen der uns anvertrauten Menschen ist dies jedoch nicht möglich.